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FASD: Jugendamt, Sozialamt, Landschaftsverband

Jugendhilfe oder Sozialhilfe?

Für Kinder mit FASD ist entweder der Träger der Jugendhilfe oder der Sozialhilfe zuständig. Für die Ämter besteht eine „verfahrensrechtlich notwendige Zuordnung der sachlichen Zuständigkeit,  sprich der Kostenübernahme. Entscheidend ist hierfür der Intelligenzquotient des Kindes. Bei einem IQ von über 70 ist die Jugendhilfe, bei einem geringeren IQ die Sozialhilfe verantwortlich.

Gemäß § 10 Abs. 4 S. 1 SGB VIII hat die Jugendhilfe Vorrang gegenüber der Sozialhilfe für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Satz 2 enthält eine Ausnahme für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind. Demnach ist der Sozialhilfeträger gemäß § 53 SGB XII vorrangig zuständig.

Für die Beurteilung der Zuständigkeit für Kinder/Jugendliche mit FASD ist entscheidend, in welcher konkreten Form (körperlicher, geistiger und/oder seelischer Art) sich die Schädigungen äußern und ob und ggf. welche Teilhabebeeinträchtigungen diese zur Folge haben. Die körperlichen Schädigungen bei FASD weisen meist kein behinderungsrelevantes Ausmaß auf. Jedoch treten regelmäßig intellektuelle und geistige Einschränkungen sowie Verhaltensauffälligkeiten auf. Die Zuständigkeit des Trägers der Sozialhilfe ist anzunehmen, wenn eine geistige Behinderung vorliegt. Diese ist erreicht, wenn ein Intelligenzquotient von unter 70 Punkten getestet wird.

Ist der IQ höher, sind die Beeinträchtigungen, die mit den gestörten Exekutivfunktionen, der verminderten Konzentrationsfähigkeit, den Teilleistungsstörungen und anderen Einschränkungen einhergehen, als seelische Behinderung wahrzunehmen und fallen somit in die Zuständigkeit des Trägers der Jugendhilfe.

Siehe hier (Seite 29f): „Die wichtigsten Fragen der sozialrechtlichen Praxis“ bei FASD (Drogenbeauftragte der Bundesregierung)

Von Schulbegleitung bis Therapie

Egal, wer zuständig ist, über die Jugend- oder Sozialämter können Leistungen für das jeweilige Kind beantragt werden. Hierzu zählen z.B. eine Schulbegleitung. Auch Therapien, die von der Krankenkasse abgelehnt werden, können mit einem Antrag auf Eingliederungshilfe beim zuständigen Jugend- oder Sozialamt u.U. bewilligt werden. 

Anspruch auf Eingliederungshilfe

Seit dem Inkrafttreten der UN-Behindertenkonvention 2009 besteht ein Anspruch auf Eingliederungshilfe. D.h. die Betroffenen haben das Recht auf Teilhabe an den Angeboten der Gemeinschaft sowie einer individuellen Förderung. Die Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft werden vordergründig durch den Träger der Jugendhilfe und der Sozialhilfe finanziert.

Siehe hier (Seite 28): „Die wichtigsten Fragen der sozialrechtlichen Praxis“ bei FASD (Drogenbeauftragte der Bundesregierung)

Darunter fällt bspw. die Finanzierung einer notwendigen Begleitung bei der Teilnahme an Freizeitaktivitäten…

Bundesteilhabegesetz (BTHG)

Seit 2020 ist das Recht, als Mensch mit Behinderung Unterstützung zu erhalten, ein eigenes Leistungsgesetz im Sozialgesetzbuch (IX. Buch) geworden, dem Bundesteilhabegesetz (BTHG). Damit erfolgt eine Trennung der Fachleistung, der Eingliederungshilfe von den existenzsichernden Leistungern.

Das BTHG weist darauf hin, dass unterschiedliche Behörden, die für einen Menschen mit Beeinträchtigung Unterstützung leisten, zusammen arbeiten und somit die Hilfe „wie aus einer Hand kommt. Zudem ist vorgeschrieben, dass die Bedarfe individuell und umfassend für alle Bereiche ermittelt werden müssen. Ein Kernbereich stellt die Teilhabe am sozialen Leben dar. Bei der konkreten Ausgestaltung soll der einzelne Mensch „mit seinen Zielen, Wünschen, Fähigkeiten und Einschränkungen im Mittelpunkt stehen“.

Hier der Link zur Website des Landschaftsverbandes Rheinland:

Landschaftsverband Rheinland

Hinweis: Kommt zum Zuständigkeitswechsel (z.B. Sozialamt -> Landschaftverband), so besteht immer ein Bestandsschutz. Dieser gewährleistet, das Leistungen nicht verringert werden dürfen. Im Falle, dass Verträge neu aufgesetzt werden, sollte dies geprüft werden.

Beispiel:

Tylar wurde uns zunächst durch das Jugendamt vermittelt. Nach der Diagnosestellung wechselte er vom Jugend- zum Sozialamt, da er eine chronische Beeinträchtigung und einen IQ von unter 70 aufweist. Eingangs gab es einige „Missverständnisse“ bzgl. möglicher Leistungen, die wir bis dato vom Jugendamt erhielten, das Sozialamt nun jedoch nicht mehr übernehmen wollte. Es war schnell geklärt, dass wir auf Grund des Wechsels nicht schlechter gestellt werden dürfen. Der darauffolgende Wechsel zum LVR (Landschaftsverband Rheinland), basierend auf dem neuen Bundesteilhabegesetz, vollzog sich 2020. Im August 2020 erhielten wir den seit dem 01/01/2020 gültigen Bescheid, einige Widersprüche folgten, derzeit scheint alles geklärt, allerdings macht ein stetiger Wechsel der Ansprechpartner die Kommunikation nicht leichter.