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Der Cola-Flaschen-Effekt

Eigentlich kenne ich den sogenannten „Cola-Flaschen-Effekt“ eher aus dem Autismus-Bereich, aber dieser Effekt ist genau so gut auf unsere Kinder übertragbar.

Das Konzept bietet eine Erklärung, wie es manchmal dazu kommt, dass andere sagen, unsere Kinder hatten einen tollen Tag und sowie sie wieder mit uns zusammen sind, explodieren sie regelrecht. Man kann sie gut mit einer Flasche Cola vergleichen. Jedes Mal, wenn etwas stressig ist, wird die Cola Flasche geschüttelt. Es scheint nicht viel zu passieren, aber die Flasche wird geschüttelt und geschüttelt, der Druck erhöht sich und erhöht sich. Und wenn die Kinder nach Hause zu ihren Eltern kommen, zu ihrem sicheren Platz, dann öffnet sich die Flasche. Und wenn es einmal los sprudelt, bekommt man den Deckel einfach nicht mehr zurück auf die Flasche gedrückt. 

Nennen wir das Kind Clara. Clara hat FASD. Clara besucht eine Förderschule.

Sie kommt mit dem Schulbus in der Schule an. Sie freut sich, vor dem Unterricht noch ein wenig mit Lego zu spielen. Nur zwei Kinder dürfen gleichzeitig Lego spielen. Als sie ihren Klassenraum betritt, sitzen dort bereits zwei Kinder und bauen mit Lego. Clara setzt sich an ihren Tisch und beginnt zu malen. Die Lehrerin lobt sie, aber es ist halt kein Lego.

Die Flasche wird geschüttelt.

Clara löst Matheaufgaben, gestern konnte sie diese noch, heute will es ihr nicht gelingen. Die Lehrerin kommt und unterstützt sie. Sie versteht nicht, wieso sie es heute nicht alleine schafft.

Die Flasche wird geschüttelt.

Das Klassenzimmer ist laut. Kinder lachen, Stühle schurren, so viele Reize. Clara hat einen Schallschutzkopfhörer, sie möchte ihn tragen, aber Louise lacht immer, wenn sie die Kopfhörer aufsetzt.

Die Flasche wird geschüttelt.

Auf dem Pausenhof möchte Clara rutschen, jemand drängelt sich vor. Clara kann ihren Impuls, das andere Kind zu schlagen, gerade noch zurückhalten, aber sie schubst es. Ihre Lehrerin sieht dies und Clara muss 5 Minuten Auszeit nehmen.

Die Flasche wird geschüttelt. 

Gleich zweimal, denn sie durfte nicht rutschen und niemand hat sie gelobt, denn sie hat doch niemanden gehauen.

Die Aufgaben im Nachmittagsbereich erfüllt Clara gut, nur ist sie inzwischen so müde, dass sie das Lob ihrer Lehrerin nicht einmal mehr hört.

Die Flasche wird geschüttelt.

Nun soll sie ihre Sachen aufräumen. Clara beginnt, vergißt jedoch im nächsten Moment, was ihre Aufgabe war. Ein anderes Kind sagt, sie ist doof.

Die Flasche wird geschüttelt.

Nun schütteln wir die Flasche noch ein- oder zweimal, denn ein Schultag ist für jedes Kind anstrengend.

Clara kommt nach Hause. Im Übergabebuch steht, es war heute ein guter Tag. Clara wollte nach ihrer Ankunft mit Lego spielen, es waren schon andere Kinder damit beschäftigt und so hat sie ein Bild gemalt. Bei der Aufgabenerklärung in Mathe hat sie gut zugehört. Sie brauchte nicht einmal ihre Kopfhörer heute. Auf dem Pausenhof hat sie ein Kind geschubst und ließ sich auf eine Auszeit ein. Am Nachmittag hat sie gut mitgearbeitet.

Claras Mama lies dies und fragt: „Und wie war dein Tag?“ – der Deckel der Flasche explodiert…